Die Darstellung der Nacht wandelt sich in der niederländischen Kunst vom Ausdruck des Unheimlichen hin zur präzisen Naturbeobachtung mit symbolischer Tiefe. Aert van der Neer verleiht diesem Genre neue Nuancen, indem er stimmungsvolle Landschaften schafft, die bereits romantische Auffassungen vorwegnehmen.
Nächtliche Szenen
Der Einbruch der Nacht, die der menschlichen Geschäftigkeit natürliche Grenzen setzt, verweist zugleich in Sphären, die seit jeher mit dem Unheimlichen und Gefährlichen verbunden sind. In Dunkelheit getauchte Szenen, die Seestürme oder Brände zeigen, haben in der niederländischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts ihren festen Platz, wobei der gerade um 1600 wiederholt dargestellte Untergang Trojas eine Sonderstellung einnimmt.
Aus der Sicht der Zeit kann die Nacht aber auch friedlichen, eine heilsstiftende Zukunft ausdrückenden Charakter haben, wie vor allem die Darstellungen der Geburt Christi als Ausdruck einer Zeitenwende belegen. Im 17. Jahrhundert setzt sich jedoch eine von biblischen Motiven abgelöste, genaue Natur- und Wetterbeobachtung durch, wie sie der niederländischen Kunst mit ihrer Neigung zur genauen Wiedergabe entspricht. Die wasserdurchzogene Flachlandschaft im Dämmerlicht erinnert zwar an das Lebensende, strahlt aber auch Geborgenheit und Ruhe aus. Sie steht nicht nur beispielhaft für die Lebenswelt der Niederländer:innen, sondern auch für deren religiös gestärktes Bewusstsein, den Gefahren des Meeres durch technische Erfindungskraft erfolgreich Widerstand geleistet und das eigene Land durch Trockenlegung neu geschaffen zu haben.
Wie kein anderer Künstler seiner Zeit hat der in Amsterdam wirkende Aert van der Neer dem Typus des Nachtbildes sein Gepräge verliehen. Dabei konnte er – wie Rembrandt in seinen Radierungen – auf Motive aus der unmittelbaren Umgebung seiner Heimatstadt zurückgreifen. Die davon ausgehende Stimmung nimmt in vielem die Auffassung von Landschaftsmalerei zur Zeit der Romantik vorweg.
Text: Ulrich Becker